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Pädokriminelle Vernetzung und Verbreitung von Darstellungen sexualisierter Gewalt auf Telegram

 

(Stand: August 2024)

Der Messenger-Dienst Telegram gerät seit längerem im Zusammenhang mit sexualisierter Gewalt gegen Kinder und Jugendliche in den Fokus. Recherchen von jugendschutz.net zeigen, dass sich Personen mit pädokriminellen Interessen über die Plattform vernetzen, Missbrauchsdarstellungen verbreiten und Kinder und Jugendliche sexualisieren – und das ohne sichtbare Maßnahmen des Anbieters.

Telegram: Messenger-Dienst mit erweiterten Funktionen

Telegram ist ein Messenger-Dienst mit Sitz in Dubai, der nach eigenen Angaben weltweit von rund 950 Millionen Menschen monatlich genutzt wird.1 Der Dienst wurde 2013 gegründet und bietet neben der privaten Nachrichtenfunktion auch diverse Möglichkeiten zur Erstellung und/oder Nutzung von Gruppen, Kanälen und Chatbots2. In Gruppen können alle Mitglieder miteinander kommunizieren, während Kanäle primär für die einseitige Verbreitung von Informationen genutzt werden. In der Regel entscheidet eine administrierende Person, wer in einem Kanal Beiträge veröffentlichen darf, die für alle Mitglieder sichtbar sind.

Nutzer:innen können einen individuellen Profilnamen wählen, ein Profilbild hochladen sowie Medien wie Bilder oder Videos versenden. Während Inhalte in öffentlichen Gruppen und Kanälen für alle Mitglieder einsehbar sind, ist der Austausch auch in privaten Gruppen oder persönlichen Chats möglich.3

Laut JIM -Studie 2023 ist Telegram auch bei deutschen Kindern und Jugendlichen beliebt. So nutzen 10 % der befragten 12- bis 19-Jährigen den Messenger mehrmals pro Woche oder sogar täglich.4

Explizite Inhalte sexualisierter Gewalt bereits in öffentlichen Profilbildern

Über die interne Suchfunktion von Telegram können angemeldete Nutzer:innen nach Profilen, Gruppen, Kanälen und Bots suchen. Die Eingabe einschlägiger Suchbegriffe führte jugendschutz.net schnell zu expliziten Profilnamen und Bezeichnungen, die auf bildliche Darstellungen sexualisierter Gewalt gegen Minderjährige hindeuteten. Zum Recherchezeitpunkt waren selbst eindeutig problematische Suchbegriffe weder gesperrt noch mit Warnhinweisen versehen.

Einige der gefundenen Profile, Gruppen und Kanäle enthielten Darstellungen sexuellen Missbrauchs von Kindern – teils bereits sichtbar in den öffentlichen Profilbildern. Darüber hinaus führten manche dieser Angebote zu externen Blogs auf einem Mikroblogging-Dienst, die ebenfalls Missbrauchsdarstellungen von Kindern und Jugendlichen zeigten. Die einfache Erstellung solcher Blogs und das Fehlen wirksamer Schutzmaßnahmen bei Telegram begünstigen die Verbreitung und den Zugriff auf straf- und medienrechtlich relevante Inhalte.

Bei der Stichwortsuche in Profilen und Kanälen fanden sich Darstellungen betroffener Minderjähriger, die bereits von anderen Angeboten sexualisierter Gewalt bekannt sind und die im pädokriminellen Umfeld häufig zur Vernetzung genutzt werden. Daneben stieß jugendschutz.net auf Inhalte, die Minderjährige in Fetischkontexten zeigten, beispielsweise mit Fesseln, bei inszenierten Wrestling-Kämpfen oder mit einem Fokus auf Füße im sexualisierten Kontext.

Auch der Einsatz von künstlicher Intelligenz (KI) ist bei Telegram zunehmend präsent. In einer öffentlichen Telegram-Gruppe posteten Nutzer:innen Bilder von Kindern mit der Aufforderung, diese mithilfe von KI-Programmen zu entkleiden. Insbesondere in Bots und Gruppen wurden KI-generierte Alltags- und Modelbilder von Kindern in freizügigen Posen geteilt, die mit sexualisierten Hashtags oder Kommentaren versehen waren. Ob die Darstellungen auf Basis von Fotos realer Personen erstellt wurden, war nicht nachvollziehbar.

Vernetzung pädokrimineller Nutzer:innen über wiederkehrende Keywords

Auf Telegram vernetzen sich Personen, die Bilder und Videos sexualisierter Gewalt suchen oder verbreiten möchten, häufig über szenebekannte Keywords und Abkürzungen. In öffentlichen Chats und Gruppen geben sie dabei meist nur so wenig wie möglich preis und halten ihre Kommunikation bewusst vage.

jugendschutz.net recherchierte Profile und Kanäle, die mehr oder weniger offen illegale Darstellungen anboten. Dabei fanden sich Hinweise auf Alterspräferenzen, Preisangaben und verschiedene Bezahlmöglichkeiten. In den Beschreibungstexten wurde häufig dazu aufgefordert, die Person privat zu kontaktieren, etwa durch Formulierungen wie „Write only for purchase“ oder „DM FOR ALL“. Dies deutet darauf hin, dass der Austausch und die Abwicklung von Kauf- und Tauschgeschäften überwiegend in privaten Chats erfolgen. Zusätzlich nutzten Personen Telegram-Bots, um den Handel zu erleichtern. Diese Bots können automatisch auf Anfragen reagieren und weiterführende Informationen bereitstellen, wodurch die Kommunikation anonym bleibt.

Profile, Gruppen, Kanäle und Bots, die Missbrauchsdarstellungen von Minderjährigen zum Kauf oder Tausch anboten, zeichneten sich durch eine hohe Dynamik aus. Besonders auffällig war dies bei solchen, die bereits im Profilbild oder in sogenannten Stories5 entsprechende Inhalte zu Werbezwecken veröffentlicht hatten – viele dieser Profile waren nur wenige Minuten nach ihrer Entdeckung nicht mehr erreichbar. Ob die Deaktivierung durch Telegram selbst oder durch die Profilinhaber:innen erfolgte, ließ sich nicht feststellen. Auffällig war jedoch, dass in kurzer Zeit nahezu identische Profile mit minimalen Änderungen, etwa im Profilnamen, neu erstellt wurden.

Pädokriminelle nutzen auch bei Kindern und Jugendlichen beliebte Plattformen, um auf Telegram-Profile und Links hinzuweisen, die zu Inhalten sexualisierter Gewalt führen. Sie posten solche Links bei Diensten wie TikTok und Instagram in Profilbeschreibungen oder Kommentaren. Häufig lassen weder die verwendeten Begriffe noch die Gestaltung der Profile für Außenstehende erkennen, welche Inhalte sich hinter den Verlinkungen verbergen. Dadurch können Nutzer:innen, die den Links folgen, ungewollt mit Missbrauchsdarstellungen konfrontiert werden – wie im Fall eines TikTok-Profils, das mit „hottest content“ für einen Telegram-Kanal warb

Telegram löscht nur strafrechtlich relevante Inhalte – risikoreiche Vernetzungen und explizite Profilnamen bleiben online

Der Messenger-Dienst Telegram spielt eine zentrale Rolle bei der Verbreitung sexualisierter Gewalt gegen Kinder und Jugendliche. Nutzer:innen teilen dort strafrechtlich relevante Darstellungen, bieten diese zum Tausch oder Kauf an und tragen zur erneuten Viktimisierung Betroffener bei. Verlinkungen zu solchen Inhalten finden sich auch auf kinder- und jugendaffinen Plattformen wie TikTok und Instagram.

Während im Rahmen der internationalen Zusammenarbeit mit dem INHOPE-Verbund alle strafrechtlich relevanten Inhalte innerhalb von 48 Stunden entfernt wurden, reagierte Telegram selbst nur in wenigen Fällen auf Meldungen entwicklungsbeeinträchtigender oder jugendgefährdender Inhalte. Darunter fallen beispielsweise Profile, die keine expliziten Bilder oder Videos beinhalten, bei denen sexualisierte Gewalt gegen Minderjährige aber durch andere Text- und/oder Bildelemente erkennbar wird.

Seit kurzem läuft ein Ermittlungsverfahren gegen den Gründer der Plattform Pawel Durow, der sich u. a. dem Vorwurf stellen muss, zu wenig gegen die Verbreitung sexualisierter Gewalt und die Vernetzung von pädokrimineller Nutzer:innen bei Telegram zu tun.

 


 

1 https://telegram.org/faq#f-was-ist-telegram-was-kann-man-hier-machen, abgerufen am 31.07.2024.

2 Telegram-Bots sind Anwendungen, die so eingerichtet sind, dass sie automatisiert mit anderen Nutzer:innen interagieren und einfache Kommunikationsaufgaben wie beispielsweise die Bereitstellung von Informationen übernehmen können.

3 In private Kommunikation hat jugendschutz.net keinen Einblick, der Fokus dieser Sichtung lag auf öffentlichen Inhalten.

4 https://www.mpfs.de/fileadmin/files/Studien/JIM/2022/JIM_2023_web_final_kor.pdf, S. 33f, abgerufen am 27.08.2024.

5 In Telegram Stories können Nutzer:innen Videos oder Foto posten, die zeitlich begrenzt im Profil für andere Kontakte sichtbar sind. Danach wird der Story-Beitrag automatisch gelöscht, außer er wird in der Galerie gespeichert.

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