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Auszug aus einem Video einer bekannten Skinnytok-Influencerin. (Quelle: TikTok)

#Skinnytok - Drastischer Gewichtsverlust als Lifestyle

Auszug aus einem Video einer bekannten Skinnytok-Influencerin. (Quelle: TikTok)

 

(Stand 24.10.2025)

Nachdem in den vergangenen Jahren auch Models mit vielfältigeren Körperformen Werbung für große Brands machten und auf Social Media Body-Positivity und Selbstliebe große Themen wurden, gibt es aktuell mit dem TikTok-Trend  „Skinnytok“ wieder eine Wende hin zur extremen Magerkeit. Unter dem Hashtag #skinnytok werden Inhalte verbreitet, die ein extrem schlankes bis super dünnes Körperbild idealisieren. Allerdings weiten Skinny-Influencer:innen das Ideal nicht nur auf den Körper aus, sondern propagieren ein „Skinny Girl Mindset”: Es gilt als Inbegriff der Disziplin und des Abnehmens, es wird suggeriert, dass die Einhaltung des Mindsets nicht nur zur reinen Gewichtsabnahme führt, sondern dazu, dass man sozial beliebter und in allen Lebenssituationen erfolgreicher wird. Die betreffenden Influencer:innen haben häufig sehr viele Follower:innen auf den bekannten Social-Media-Plattformen.

Vordergründig geht es um Themen wie Motivation, Wohlbefinden und Selbstoptimierung. Tatsächlich vermitteln die Inhalte jedoch oft Botschaften wie „Skinny is an outfit“, stellen extrem dünne Körper als Schönheitsideal dar und begünstigen gefährliches Essverhalten. Das geht so weit, dass auch Essstörungen wie Magersucht und Bulimie verharmlost oder gar verherrlicht werden. 
Formulierungen wie „Warum belohnst du dich mit einem Snack? Du bist kein Hund“ veranschaulichen exemplarisch den abwertenden Tonfall, mit dem Druck zur Gewichtsreduktion ausgeübt wird.

Wiederkehr eines bekannten Phänomens unter neuem Deckmantel

In den 2000er-Jahren erlangte die „Pro-Ana”-Bewegung im Internet zunehmend an Aufmerksamkeit. „Ana” steht dabei für die Krankheit Anorexia nervosa (Magersucht), wobei das „Pro” signalisiert, dass die Erkrankung positiv oder als erstrebenswert wahrgenommen wird. In direktem Zusammenhang stand auch die „Pro-Mia”-Bewegung, bei der „Mia” für Bulimia nervosa (Ess-Brech-Sucht) steht. Charakteristisch für dieses Phänomen ist seine klare Programmatik: Feste Überzeugungen, strenge Regeln und Ideale, sollen das gestörte Essverhalten rechtfertigen und fördern. Obwohl typische Inhalte dieser Bewegungen heute mittlerweile seltener vorkommen, sind sie nach wie vor aktuell und präsent – oft auch in subtilerer oder neuer Form.

Da Skinnytok weniger programmatisch wirkt, sondern sich stärker als Lifestyle-Trend präsentiert, scheinen die Inhalte alltagstauglicher. Über Hashtags wie „Mindset“, „WIEIAD“ (What I Eat in a Day), „Fitness“, „Pilates“, „Wellness“ oder „Gesundheit“ tauchen die Inhalte oft auch unbeabsichtigt in personalisierten Feeds auf. Einzelne Videos wirken harmlos, in ihrer Summe können sie jedoch bedenkliche Ideale festigen. Der Übergang von normalen Fitness-Inhalten zu gefährlicher Idealisierung von dünnen Schönheitsidealen ist fließend und häufig nicht leicht zu erkennen. Üblich sind etwa Vorher-Nachher-Bilder, die drastische Gewichtsverluste zeigen und Thinspiration-Inhalte, die gezielt sehr dünne Körper als Ideal darstellen. Aber auch in Challenges/ Vergleichen werden bestimmte Körperformen als „Body Goals“ präsentiert oder in Body-Check-Videos Körperstellen hervorgehoben, wie z. B. Taille, Oberschenkel. Dabei wird ein flacher Bauch oder die „Thigh Gap“ (Lücke zwischen den Oberschenkeln im Stehen mit geschlossenen Beinen) betont.

Auch „Hungergruppen“ aus dem Skinnytok-Umfeld sind bereits aus der „Pro-Ana“-Bewegung bekannt. In diesen Zusammenschlüssen bestärken sich essgestörte Personen gegenseitig zu immer drastischerem Gewichtsverlust. Typisch sind eine streng hierarchische Struktur, hoher psychischer Druck und sogenannte Abnehm-Challenges. Solche Gruppen agieren meist im Verborgenen, etwa über WhatsApp, Discord oder Telegram. Trotz ihrer problematischen Natur sind sie weiterhin aktiv – entsprechende Werbebeiträge kursieren nach wie vor auf Social-Media-Plattformen. Durch gemeinsame Hashtags tauchen sie auch im Kontext von Skinnytok auf.

User:innen, die solche Inhalte auf TikTok, Instagram oder YouTube ansehen, liken, kommentieren oder teilen, zeigen dem Algorithmus ihr Interesse – und bekommen noch mehr davon angezeigt. Einmal damit konfrontiert, ist es für viele schwer, diesem Content wieder zu entkommen.

Der aktuelle Skinnytok-Trend ist besorgniserregend, weil er gefährliches Essverhalten algorithmisch verstärkt, verherrlicht und normalisiert. Besonders problematisch ist der Einfluss auf junge, leicht beeinflussbare Nutzer:innen, die sich gerade in einer Phase der Identitätsfindung befinden. Sie laufen Gefahr, ihren Selbstwert zunehmend über Gewicht, Kalorien und äußeres Erscheinungsbild zu definieren. Die ständige Konfrontation mit vermeintlich „perfekten” Körpern kann ein verzerrtes Körperbild hervorrufen.

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