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Zwei Fotos einer Jugendlichen. Das Vorher-Foto zeigt das Gesicht mit natürlichen Lippen. Das Nachher-Foto zeigt das Gesicht mit volleren und größeren Lippen.

Vorher-Nachher-Vergleich einer Lippenunterspritzung mit Hyaluron (Quelle: YouTube; Original unverpixelt)

Darstellungen operativer und kosmetischer Eingriffe in Social Media

Zwei Fotos einer Jugendlichen. Das Vorher-Foto zeigt das Gesicht mit natürlichen Lippen. Das Nachher-Foto zeigt das Gesicht mit volleren und größeren Lippen.

Vorher-Nachher-Vergleich einer Lippenunterspritzung mit Hyaluron (Quelle: YouTube; Original unverpixelt)

Perfektionierung des Äußeren durch kosmetische Eingriffe

Ob in Lifestylebeiträgen oder bei Beautytipps – das Aussehen des Körpers steht in Social-Media-Postings von Creator:innen häufig im Mittelpunkt. Diese haben oftmals eine Reichweite in Millionenhöhe und setzen Trends. Für Kinder und Jugendliche dienen sie als Vorbilder, an denen sie sich orientieren und denen sie nacheifern können.

Von Creator:innen geteilte Inhalte wirken gerade in Diensten wie TikTok oder Instagram spontan und alltäglich. Dass dahinter eine professionelle Inszenierung steckt, Fotos und Videos bearbeitet sind und das Aussehen von Körper und Gesicht mit Filtern „optimiert“ werden, ist nicht allen Nutzer:innen klar. Und selbst wenn sie Bescheid wissen, der Eindruck bleibt: Alle anderen sind schlanker, schöner, straffer.

Die digitalen Anpassungen können die Körperwahrnehmungen von Kindern und Jugendlichen beeinflussen. Im Extremfall kann der Wunsch entstehen, den eigenen Körper, beispielsweise durch Schönheitseingriffe, an die digital veränderten Ideale anzupassen.1 Vorgelebt wird dieser Drang nach Perfektionierung des Äußeren auch durch Contentcreator:innen, die in ihren Social-Media-Beiträgen immer häufiger eigene ästhetische Eingriffe thematisieren.

jugendschutz.net hat in einer Kurzrecherche auf den Plattformen TikTok, Instagram und YouTube mit einschlägigen Hashtags nach Beiträgen zu kosmetischen Eingriffen gesucht. Dabei wurden Inhalte überwiegend deutschsprachiger Contentcreator:innen betrachtet und hinsichtlich ihrer möglichen Wirkung besonders auf kindliche und jugendliche Rezipient:innen beurteilt.

Die Vielfalt der gezeigten Behandlungen ist groß und erstreckt sich von operativen Eingriffen wie Brustvergrößerungen über kleinere kosmetische Korrekturen bis hin zu Zahnbleachings. Besonders Gesichtsbehandlungen mit Hyaluronsäure finden immer mehr Anhänger:innen: So werden Kieferpartien (sog. Jawline) aufgefüllt, Nasen durch Unterspritzung korrigiert oder Lippen aufgespritzt (beispielsweise sogenannte „russian lips“). Häufig werden Follower:innen in der Selfie-Perspektive mit in die Praxen und auf den Behandlungsstuhl genommen.

Je nach Plattform weisen die Inhalte eine unterschiedliche Ausrichtung auf: während auf YouTube Videos mit längeren Erzählungen zu finden sind, erhalten User:innen auf TikTok in kurzen Clips Einblicke in die kosmetischen Behandlungen. Auf Instagram dokumentieren Creator:innen vermehrt die Behandlungsergebnisse im Fotoformat. Im Zuge der Recherche erschienen besonders TikTok und YouTube aufgrund der Videoformate spannend.

Erfahrungsberichte und Vorher-Nachher-Bilder bringen Zuspruch von der Community

Insbesondere auf YouTube wird in Erfahrungsberichten detailliert von den Behandlungen erzählt. Die Videos enthalten Vorher-Nachher-Bilder, die durch die Behandlung entstandene Veränderungen zeigen. Dabei kommen unter anderem individuelle Gründe, die verwendete Methode und aufkommende Kosten zur Sprache, während die Risiken solcher Eingriffe verschwiegen oder verharmlost werden. Der Heilungsprozess nach der Behandlung wird zum Teil ausführlich thematisiert. Auftretende oder nachhaltige Schmerzen werden in diesem Zusammenhang zwar angesprochen, letztendlich als unproblematisch dargestellt. Mögliche Komplikationen werden nicht thematisiert. Von der Community erhalten die Creator:innen für ihre Offenheit und ihr neues Erscheinungsbild Lob und positives Feedback, zum Beispiel: „super Ergebnis! Das spricht echt für sich”. Einige wenige Kommentare könnten als beleidigend empfunden werden, wie beispielsweise „schrecklich“ oder „schlimm sowas“. Eine kritische Auseinandersetzung mit der Thematik findet allerdings nicht statt.

Daily-Vlogs: Kosmetische Eingriffe als alltäglicher Termin

In Daily-Vlogs präsentieren Creator:innen auf TikTok ihren Tagesablauf vom morgendlichen Aufstehen bis zum Schlafengehen am Abend. Follower:innen werden darin über Alltägliches wie die Auswahl von Outfits oder Essensgewohnheiten informiert.

Auch ästhetische Eingriffe werden in Daily-Vlogs gezeigt, indem diese mitgefilmt und die durchführenden Praxen gezeigt werden. Sie sind dabei durch ihre Vielfältigkeit kurzweiliger, unterhaltsamer und ansprechender für Kinder und Jugendliche als die zum Teil eher langwierigen erzählten Erfahrungsberichte. Die Einbettung in den Tagesablauf suggeriert Normalität: Schönheitseingriffe gehören genauso zum Alltag wie der Gang zum Bäcker und Klamotten-Shopping. Das Thema erfährt so eine gewisse Banalisierung, zumal eine kritische Auseinandersetzung oder Thematisierung möglicher Risiken auch hier ausbleibt.

Fazit: Keine Verstöße, negativer Summeneffekt für gesunde Entwicklung möglich?

Kinder und Jugendliche sind in ihrer Persönlichkeit und in ihrem Körperbild noch nicht gefestigt. Die Suche nach der eigenen Identität, das Ausprobieren von Rollen und die Beschäftigung mit dem Äußeren gehören zur Entwicklung von Kindern und Jugendlichen. Häufig orientieren sie sich an ihren Idolen, möchten ihnen nacheifern. So adaptieren und kopieren sie das Verhalten ihrer Vorbilder. Der von den Contentcreator:innen dargestellte Lifestyle und der von ihnen transportierte Drang nach Perfektionierung ihres äußeren Erscheinungsbilds kann ein realitätsfremdes Schönheitsideal schaffen – beginnend mit dem exzessiven Gebrauch von Schönheitsfiltern bis hin zu kosmetischen und operativen Eingriffen.

Besonders die Darstellung von kosmetischen Eingriffen als etwas vollkommen Alltägliches verharmlost diese. Die Beschreibung von Eingriffen als schnell, einfach und schmerzlos vermittelt eine falsche Vorstellung möglicher Risiken. Das dargestellte Schönheitsideal kann so besonders von jungen User:innen als Norm und erstrebenswert wahrgenommen werden und sie unter Druck setzen. Es kann zu Verunsicherung und Unzufriedenheit mit dem eigenen Körper führen und verstärkt den Wunsch nach Veränderungen hervorrufen. Es besteht in Deutschland grundsätzlich kein gesetzlich vorgeschriebenes Mindestalter für die Durchführung von Schönheitseingriffen, was sie mit der Einwilligung der Erziehungsverantwortlichen auch für Minderjährige möglich macht. Deshalb können die Social-Media-Beiträge auch bei Kindern und Jugendlichen ganz reale Begehrlichkeiten wecken.

Die potentielle Wirkung einzelner Videos hingegen lässt sich nur schwer einschätzen und hängt davon ab, wie weit die Bewunderung einzelner Minderjähriger hinsichtlich ihres Idols reicht. Doch auch wenn die einzelnen Beiträge nach Einschätzung von jugendschutz.net die Grenze zum Verstoß nicht überschreiten, ist davon auszugehen, dass solche Inhalte vor allem in der Masse einen negativen Einfluss auf die Entwicklung eines gesunden Selbstbildes von Kindern und Jugendlichen haben können.

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1 Laut einer Studie der Deutschen Gesellschaft für Ästhetisch-Plastische Chirurgie verstärkte bei 23,1 Prozent der Befragten unter 20-Jährigen der Vergleich mit anderen Personen in Social Media den Wunsch nach einer äußerlichen Veränderung (vgl. https://www.dgaepc.de/wp-content/uploads/2021/10/DGAePC_Statistik-2021.pdf).

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